„Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide“
Liebe Verwandte, Freunde und Leser,
zu unserer Freude und Augenweide schmückt sich die Natur gerade mit einem neuen Kleid, wie es Paul Gerhardt so schön beschreibt. Dabei greift er auf ein Wort Jesu zurück, der sogar die Blumen auf dem Feld bemerkte, was man von einem Zimmermann nicht unbedingt erwartet. Er sagte: „Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen“ (Mk 6,28).
Jeden Morgen treffen wir die Entscheidung, was wir anziehen. Ich bin sicher, dass es in Ihrer Jugend noch Werktags- und Sonntagskleider gab, ein Arbeitsgewand und ein Festtagsgewand. In manchen Gegenden wird dieser Unterschied zusätzlich durch eine Tracht hervorgehoben. Im Sorbischen gibt es heute noch eine Werktags- und eine Festtagstracht. Manche Personen erkennt man an ihrer Berufskleidung wie etwa einen Polizisten oder einen Feuerwehrmann. Für bestimmte Stationen im Leben gibt es ein eigenes Kleid wie z. B. das Brautkleid. Ja, Kleider machen Leute.
In der Taufe wurden wir mit dem weißen Taufkleid geschmückt. Es steht für das neue Leben mit Gott. Wir haben sozusagen Gott selbst als Gewand angezogen. Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Galater: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Gott (als Gewand) angelegt“ (Gal 3,27). Wir sind in der zweiten Hälfte der Passionszeit angelangt und sind eingeladen, die in der Taufe grundgelegte Beziehung zu Gott neu zu beleben. Die Bibel kann uns dabei behilflich sein.
Wir lesen die Berichte, die uns vom Leiden und Sterben des Herrn erzählen und stellen mit Staunen fest, dass auch hier Kleider eine Rolle spielen. Am Palmsonntag bereiteten die Bewohner von Jerusalem Jesus einen begeisterten Empfang, als er auf einem Esel in die Stadt einritt. Der Evangelist Lukas beschreibt das so: „Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf der Straße aus“ (Lk 19,36). Mit einem solchen Teppich aus Kleidungsstücken wurde normalerweise nur ein König oder Kaiser begrüßt.
In krassem Gegensatz dazu steht die Behandlung Jesu unmittelbar nach der Geißelung, die Pilatus angeordnet hatte. Nach dem Verhör wurde Jesus von der ganzen Kohorte verspottet. „Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um“ (Mt 27,28). Sie machten ihn zu einem Spottkönig mit einer Krone aus Dornen. „Nachdem sie ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an“ (Mt 27,31).
In den Passionsberichten werden die Kleider Jesu besonders hervorgehoben. Die Kleider eines zur Kreuzigung Verurteilten standen den Soldaten zu, die die Hinrichtung durchführten. Das Verhalten der Soldaten bei der Kreuzigung Jesu erfüllte in erschütternder Weise eine Prophezeiung aus dem Psalm 22, in dem es heißt:
„Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand“.(Ps 22,19)
Der Evangelist Matthäus schreibt: „Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich“ (Mt 27,35). Auch den Evangelisten Markus (Mk 15,24) und Lukas (Lk 23,34) ging die Erfüllung dieses Schriftwortes so unter die Haut, dass sie den Psalmvers zitierten.
Der Evangelist Johannes formuliert es etwas ausführlicher, ja geradezu liebevoll: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerschneiden, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus“ (Joh 19,23+24). Der Herr des Himmels und der Erde besitzt keinen Faden mehr am Leib. Eine Handvoll Freunde geben ihm voller Liebe sein letztes Kleid, indem sie seinen Leichnam in ein Leinentuch wickeln (Lk 23,53).
Das letzte Kleid, das wir tragen, wird unser Totenhemd sein. In früheren Zeiten, als das Sterben und der Tod noch wie selbstverständlich zum Leben gehörten, bewahrte man in ländlichen Gegenden sein Totenhemd im Schrank auf. Vom Taufkleid bis zum Totenhemd gehören wir dem Herrn. Der Apostel Paulus sagt es so: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,8).
Ja, sogar Alltägliches – wie unsere Kleider – spricht zu uns in der Passionszeit. Ich wünsche Ihnen ein andächtiges und mitfühlendes Gedenken des Leidens und Sterbens unseres Herrn Jesus Christus – in der Gewissheit, dass er nicht im Tod bleibt. Machen wir uns auf den Weg – Ostern entgegen! Erwarten wir den Aufgang der Ostersonne!
Oh wir schauen schon hinein in den Ostersonnenschein! (Lied zu Laetare)
Ihre Eva Nees