September 2024: Andachtsbrief von Frau Eva Nees


„Schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben“

Liebe Freunde, Verwandte, Wohltäter und liebe Andachtsgemeinde,

bevor sich langsam der Herbst einschleicht, wollen wir einen aufmerksamen Blick auf die Gärten werfen, die uns noch mit hochsommerlicher Schönheit erfreuen. Mit Staunen stellen wir fest, dass es in der Bibel Gärten waren, in denen sich Begegnung mit Gott ereignete.

Im 2. Schöpfungsbericht erleben wir Gott als Gärtner, denn es heißt dort: „Dann legte Gott der Herr im Osten, in Eden, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott der Herr ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten“ (1 Mose 2,8). „Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert“ (1 Mose 2,10). „Gott der Herr nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte“ (1 Mose 2,15). Diesen Garten nennen wir das Paradies.

Die Hebräer, unsere Vorfahren im Glauben, waren wandernde Hirten, die in Zelten lebten. Sie hatten keine Gärten, denn ihr Aufenthalt  an einem Ort dauerte nur eine bestimmte Zeit. Die Vorstellung von einem bewässerten Garten muss für sie traumhaft und überirdisch schön gewesen sein. Vielleicht hatten sie von durchreisenden Karawanen gehört, dass es in Persien solche Gärten gab, denn das Wort Paradies kommt aus der persischen Sprache.

Im diesem Wort schwingt die Sehnsucht nach einem Ort mit, in dem wir ganz in Einklang mit Gott leben könnten. Wenn wir von der Schönheit einer Landschaft oder eines Gartens überwältigt sind, rufen wir spontan aus: „Das ist ja ein Paradies“. Alte Bauerngärten werden Paradiesgärtlein genannt. Sie haben immer die Form eines Quadrates. Die Mitte wird von einem Rosenstock oder einem Brunnen betont. Die Beete sind in vier gleichen Teilen um diesen Mittelpunkt angeordnet. Damit ein schönes Muster entsteht, sind die Beete mit kurz geschnittenem Buchs eingefasst. Wenn wir von oben darauf schauen, sehen wir ein Mandala.

Eine europäische Kultur gäbe es nicht ohne die Klöster und ihre Gärten. Die Beete waren in einer bestimmten Ordnung angelegt. Das älteste Beispiel dafür findet sich auf der Insel Reichenau im Bodensee. Meist war der Garten von einer schützenden und wärmenden Mauer umgeben. Deshalb hieß er hortus conclusus, verschlossener Garten. Er wurde zum Sinnbild für die Seele.

Hier ganz in der Nähe finden wir berühmte Gärten. Vor unserer Haustüre haben wir den Barockgarten von Großsedlitz. In Radeberg wurde ein Blindengarten allein aus Duftpflanzen angelegt. Im Park von Schloss Pillnitz können wir in einem französischen und in einem englischen Garten spazieren gehen. In einem französischen Garten sind die Beete und Rabatten in kunstvollen Mustern angelegt. In einem sog. englischen Garten sind einzelne Bäume oder Baumgruppen in einer weiten Wiesenfläche angeordnet, wie wir es von Bad Muskau kennen.

Dass ein Garten Pflege braucht, wissen alle, die einmal einen bewirtschaftet haben. So wie ein Garten gehegt und gepflegt werden muss, soll auch die Beziehung zu Gott gehegt und gepflegt werden, damit sie keinen Schaden nimmt und unser Herz nicht verödet wie ein aufgegebener Garten. Lassen wir uns doch eine blühende Beziehung zu Gott schenken, die unser Herz erquickt wie frisches Wasser. Dann sprechen wir mit dem Psalmisten: „Ich aber bin im Haus Gottes wie ein grünender Ölbaum“ (Ps 52,10). Und der Prophet Jeremia sagt uns zu: „Sie werden wie ein bewässerter Garten sein und nie mehr verschmachten“ (Jer 31,12).

Wir alle wissen, dass das Paradies verloren ging. Die Beziehungen der Menschen untereinander  und zu Gott sind beschädigt und mühsam, weil Adam und Eva sich zu der Anmaßung überreden ließen, wie Gott sein zu wollen. Die Vertreibung aus dem Paradies wiederholt sich in der Geschichte der Menschheit nur zu oft. Viele von Ihnen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Andere haben große Enttäuschungen erlebt. Jedes mal war es wie eine Vertreibung aus dem Paradies.

Und doch ist der Menschheit immer das Bild eines herrlichen Gartens im Gedächtnis geblieben, und das Paradies wurde vom Ursprung in die ferne Zukunft verlegt (Offb 22,1+2). Wir werden dorthin zurück kehren. Das Paradies wird der Ort sein, an dem wir ganz bei Gott zu Hause sein dürfen. Wie sonst hätte Jesus zu dem Schächer sagen können, der mit ihm gekreuzigt wurde: „Wahrlich, ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43)?

Ein namentlich genannter Garten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tod und der Auferstehung Jesu. Er gehörte Joseph von Arimathäa, der ein Jünger Jesu war. Der Evangelist Johannes schreibt: „An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab…Wegen des Rüsttags der Juden und weil das Grab in der Nähe war, setzten sie Jesus dort bei“ (Joh 19,41+42).

Dieser Garten der Trauer verwandelte sich am Ostermorgen in den Garten der Freude, denn hier  begegnete Maria Magdalena dem auferstandenen Herrn. Sie erkannte ihn nicht gleich und hielt ihn für den Gärtner! Erst als Jesus sie mit ihrem Namen ansprach, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, und sie wusste, wer der, den sie für den Gärtner hielt, wirklich war. Adam und Eva durften im Paradiesgarten Gott begegnen; Maria von Magdala durfte im Garten des Joseph von Arimathäa dem auferstandenen Herrn begegnen.

Manchmal ist Gartenarbeit durchaus eintönig und wir können unsere Gedanken schweifen lassen. Was hindert uns daran, uns mit Gott zu verbinden, wenn wir uns im Garten aufhalten? Eine Liedstrophe, ein Psalmvers kann uns begleiten, während unsere Hände die nötige Arbeit verrichten. Und wenn wir nicht mehr in der Lage dazu sind und nur noch im Garten oder in einem Park sitzen können, dürfen unsere Augen so viel Schönheit einfangen, dass uns das berühmte Lied von Paul Gerhardt „Geh aus mein Herz und suche Freud“ wie von selbst in den Sinn kommt. Die Gegenwart Gottes ist auch im Garten nur einen Wimpernschlag von uns entfernt; wir müssen sie nur ergreifen.

„Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

Erwähle mich zum Paradeis
und lass mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen.
So will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen“.

Einen freundlichen Sommerausklang wünscht Ihnen Eva Nees!