Dezember 2023: Andachtsbrief von Frau Eva Nees

Andachtsbrief Dezember 2023

Liebe Schwester, liebe Freundeskreismitglieder und Leser,

„Ein Stern geht auf aus Jakob, ein Szepter erhebt sich in Israel“ (4 Mose,24,17)

„Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1)

„Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor“ (Jes 11,1)

Wie wenn ein großer Gong angeschlagen würde, so tönen diese Prophetenworte aus dem Alten Testament in die Weltgeschichte, in die Heilsgeschichte hinein.

„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4)

Am 3. Dezember treten wir in den Advent 2023 ein, und bereits drei Wochen später, am 4. Adventssonntag, feiern wir den Heiligen Abend. Es wird also eine kurze, gedrängte Adventszeit sein. Sie lädt uns ein, uns hinter und unter aller Advents- und Weihnachtsdekoration ein wenig dem Geheimnis von Weihnachten anzunähern.

Gott wird Mensch – undenkbar, unvorstellbar, unfassbar. Weil es den menschlichen Verstand übersteigt, wird die Absicht Gottes den Menschen durch Engel mitgeteilt. Zuerst erhält Maria vom Engel Gabriel die Botschaft von ihrer Erwählung. Dann spricht ein Traumengel zu Josef, der sich mit der Schwangerschaft seiner Verlobten schwer tut. Und schließlich durchbrechen Engel den himmlischen Bereich auf den Hirtenfeldern von Betlehem.

Die Nacht von Betlehem haben wir in unserem Gemüt mit einem Zuckerguss überzogen. Das lieblich anzusehende Neugeborene, die junge Mutter, der besorgte Josef bilden eine Idylle ab, die unserem Bedürfnis nach einer heilen Familie entgegenkommt. Vielleicht feiern Menschen, die keine religiöse Bindung haben, deshalb Weihnachten, weil ihnen die Szene im Stall von Betlehem den Frieden in den Familien spiegelt, den sich alle wünschen.

Als Christen schauen wir durch alle Bräuche und Dekorationen hindurch. Irgendwie haben diese alle mit dem Geschehen von Weihnachten zu tun, doch was liegt wirklich auf dem Grund des Festes? Nicht mehr und nicht weniger als die Menschwerdung Gottes. Begreifen können wir es nicht. Gott, von dem sich die Israeliten kein Bild machen durften, wird sichtbar im Kind von Betlehem, im jugendlichen Jesus, im Zimmermann, im Gekreuzigten und im Auferstandenen. Er wird „im Heiligen Geist“ bei uns bleiben, uns nie mehr verlassen. Er will, dass wir Mitarbeiter des Reiches Gottes werden, Gott und den Nächsten lieben, Frieden stiften, uns ihm anvertrauen und in einer engen Verbindung mit ihm leben. Die Welt kann nie mehr zurück fallen in den Zustand vor der Christgeburt.

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“  (Joh 1,14).

Das innerste Geheimnis von Weihnachten geht noch tiefer. Christus wollte nicht nur in die Welt kommen und bleiben, er will „in uns“ sein. Er lädt uns sogar ein, „in ihm“ zu bleiben. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4). Er sagt es selbst im Abendmahlsaal: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Meister Eckhart, der große Mystiker des Mittelalters, rang nach Worten, um die Gegenwart Gottes in unserer Seele, in unserem Herzen, in ein Bild zu kleiden, das wir ein wenig verstehen könnten. Er spricht von der „Gottesgeburt in der Seele“. Und der schlesische Dichter Angelus Silesius umkreist dieses Geheimnis mit folgenden Worten:

„Wär Christus 1000mal in Betlehem geboren und nicht in dir: du wärest doch verloren“

Laden wir nicht in vielen Advents- und Weihnachtliedern Christus ein, in unsere Herzmitte zu kommen, in unserer innersten Seelenkammer zu bleiben?

„Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist“ (ev. Ges.b. Nr 1, GL Nr. 218)

„Zieh in mein Herz hinein vom Stall und von der Krippen…“ (ev. Ges.b. Nr. 10, GL Nr. 731)

„Süßer Immanuel, werd auch in mir nun geboren, komm doch, mein Heiland, denn ohne dich bin ich verloren! Wohne in mir, mache mich ganz eines mit dir, der du mich liebend erkoren „ (ev. Ges.b. Nr 41, GL Nr 251)

Trotz dieser Dimension der Menschwerdung Christi dürfen wir „wie Kinder fromm und fröhlich sein“ (Matthias Claudius), vor der Weihnachtskrippe stehen, unsere Lieder singen und uns die welt-erschütternde Botschaft von der Menschwerdung Gottes verkündigen lassen. Wir dürfen uns an den Bräuchen und allen schönen Dingen erfreuen, die wir mit der Advents- und Weihnachtszeit verbinden. Wir brauchen Zeichen und Bräuche, um uns auszudrücken. Jesus ist schließlich Mensch geworden, um mit uns zu fühlen. So dürfen wir das Weihnachtsgeheimnis mit allen Sinnen feiern und genießen.

Einen gesegneten Weg durch den Advent, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Übergang in das Neue Jahr wünscht Ihnen

                                                                                                            Eva Nees