Oktober 2023: Andachtsbrief von Frau Eva Nees

Liebe Freunde und liebe Andachtsgemeinde!

„Denn er befiehlt seinen Engeln,
dich zu behüten auf allen deinen Wegen.
Sie tragen dich auf ihren Händen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“.
(Ps 91,11+12)

Bei besonderen Anlässen oder zu bestimmten Zeiten spüren wir, dass Veränderung in der Luft liegt. Das kann ein runder Geburtstag sein, das kann – wie wir es gerade erleben – der Übergang von einer Jahreszeit in die andere sein. Auf solche Übergänge haben alte Völker bestimmte Riten und Bräuche gelegt. Denken wir nur an den Johannistag mit dem Johannisfeuer. Der Übergang vom Sommer in den Herbst ist weniger deutlich ausgeprägt. Im liturgischen Kalender ist es der Tag der Erzengel am 29. September, der in die wachsende Dunkelheit der kommenden Wochen hinein leuchtet.

Im Alltag spielen Engel eine größere Rolle, als wir vermuten würden. Selbst ungläubige Menschen berufen sich auf ihren Schutzengel, wenn sie in einer Gefahr bewahrt blieben. Auch die Redewendung „Dich schickt der Himmel“ stellt den Zusammenhang mit den Engeln her. Ein Mensch wird für mich zum Himmelsboten.

„Hütet euch davor, einen dieser Kleinen gering zu achten! Denn ich sage euch:
ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“
(Mt 18,10)

Engel sind geistige Wesen zwischen Gott und der Welt. Sie sind in der unsichtbaren Welt beheimatet. Im Alten wie im Neuen Testament erscheinen sie mit größter Selbstverständlichkeit. Sie haben verschiedene Aufgaben. Ihr vornehmster Dienst ist die Anbetung Gottes und die Darbringung des „Dreimalheilig“, wie es der Prophet Jesaia in einer Vision schauen durfte (Jes 6,1-5). Sie stehen vor dem Thron Gottes, sie erscheinen den Menschen sichtbar oder im Traum, sie überbringen eine Botschaft, sie erklären, begleiten und schützen. Manche Engel haben Namen, wie z. B. Michael, Gabriel und Raphael. Andere heißen einfach „Engel des Herrn“ oder „Männer in weißen Gewändern“.

Manchmal wird der Engel mit Gott selbst gleichgesetzt. Dem Mose erscheint der „Engel des Herrn“ im brennenden Dornbusch, doch es ist der Herr selbst, der mit ihm spricht (2 Mose 3,2). Als die Israeliten aus Ägypten wegzogen und trockenen Fußes das Schilfmeer durchquerten, war es „der Engel Gottes“, der den Zug anführte (2 Mose 14,19). In ihm ist Gottes heiliger Name gegenwärtig (3 Mose 23,21).

In der Geschichte des jungen Tobias erfahren wir, dass sein Vater Tobit einen Reisegefährten für ihn auswählte, der ihn auf dem Weg zu seiner zukünftigen Frau begleiten sollte. Nach der glücklichen Rückkehr stellt sich der Reisebegleiter vor: „Ich bin Raphael, einer von den sieben heiligen Engeln, die das Gebet der Heiligen vor die Majestät des heiligen Gottes tragen“ (Tob 12,15). Wir erkennen in Raphael das Urbild des Schutzengels.

Im Neuen Testament ist es vor allem der Engel Gabriel, der als Bote Gottes auftritt. „Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn“ (Lk 1,12). Da Zacharias das Unglaubliche der Botschaft, Elisabeth würde einen Sohn gebären, nicht so ohne weiteres annehmen kann, stellt sich der Engel vor: „Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft  zu bringen“ (Lk,1,19).

Sechs Monate nach der Ankündigung der Geburt des Johannes wird „der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazareth zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Hause Davids stammte. Der Name der Jungfrau war Maria“ (Lk 1,26+27). In dieser Stunde der Geschichte, in der die Welt den Atem anhält, wird Gottes Sohn das Kind einer jungen Frau.

Josef war erschüttert, denn er war offensichtlich nicht der Vater. Aber Gott mutet es ihm zu, vor dem Gesetz der Vater dieses Kindes zu sein. Ein Engel des Herrn hilft ihm im Traum, die richtige Entscheidung zu treffen (Mt 1,20). Noch einmal spricht der Traumengel zu ihm, als das kleine Kind Jesus in Lebensgefahr gerät und die junge Familie nach Ägypten fliehen muss (Lk 2,13).

Gute 30 Jahre später sind es wieder Engel, die den Jüngerinnen und Jüngern zu verstehen helfen, was mit Jesus geschehen ist. Als am Ostermorgen Frauen das Grab Jesu besuchen wollten, „entstand ein gewaltiges Erdbeben, denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee“ (Mt 28,2). Der Engel verkündet den Frauen die Auferstehung des Herrn (Mt 28,6).

Und noch einmal brauchen die Jüngerinnen und Jünger Nachhilfe, um zu verstehen, was geschieht: Jesus verabschiedete sich von ihnen und wurde in den Himmel aufgenommen. „Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel schauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern vor ihnen“ (Apg 1,10+11), die ihnen die Himmelfahrt des Herrn bestätigten und seine Wiederkunft versprachen.

Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, schildert den dramatischen Kampf des Erzengels Michael mit dem „Drachen“. „Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt, und die ganze Welt verführt“ (Off 12,9). Den Kampf Michaels mit dem Drachen kann man als Bild für den Sieg Christi über das Böse deuten, den er durch seinen Tod und seine Auferstehung errungen hat.

„Der Engel des Herrn umschirmt alle, die ihn fürchten und ehren, und er befreit sie“. (Ps 34,8)

Wir dürfen die Engel in ihrer kraftvollen Wirksamkeit ernst nehmen, sie in einer Gefahr anrufen und zumindest jeden Abend vor dem Einschlafen gewiss sein, dass sie über uns wachen. Mit dem Anfangsvers des traumhaft schönen Abendliedes aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck grüße ich Sie zum Monatsanfang:

„Abends, wenn ich schlafen geh, vierzehn Engel bei mir stehn“.

Eva Nees